Der farbige Mikrofilm

Der farbige Mikrofilm im Digitalzeitalter
Update Juli 2010

Der Farbmikrofilm weist gegenüber herkömmlichem Silberfilm eine extrem hohe Ortsfrequenzauflösung und eine Langzeitstabilität auf, die in Jahrhunderten gemessen wird.

Film und Mikrofilm - der Unterschied
Der konventionelle Farbfilm, der uns als Dia- oder Negativ-Film täglich begegnet, hat mit dem Medium Farb-Mikrofilm nur sehr wenig gemeinsam.  Farbentstehung, Empfindlichkeit und Gradation sind beim herkömmlichen Farbfilm für die schnelle Bildaufnahme in der Kamera ausgelegt. Sowohl die Auflösung als auch seine chemische und physikalische Langzeitstabilität genügen auch nicht annähernd den Anforderungen  des Archivwesens.

Der Farbmikrofilm ist heute ein Exote unter den Bildmedien, der durch seine besonderen Eigenschaften nahezu ohne Konkurrenz ist. Er hat technologisch mit den herkömmlichen Farbfilmen nur sehr wenig gemein und wird weltweit nur noch von Ilford (Schweiz) unter dem Markennamen Ilfochrome produziert.

Die wichtigsten Eigenschaften:

  • Herausragende Farbtrennung und hoch gesättigte Farben verleihen ihm einen sehr großen Farbumfang
  • Extrem hohe Licht- und Alterungsbeständigkeit gewährleistet eine gleich bleibende Bildqualität über Jahrhunderte.
  • Sehr hohe Ortsfrequenzauflösung bis 300 LP/mm
  • Hohe Volltondichte von 2.2 D
  • Sehr stabiles Latentbild (belichteter Film kann wochenlang unentwickelt gelagert werden)

Hochstabile Azo-Farben

In herkömmlichen „chromogenen Farbfilmen entstehen die Farbstoffe erst während der Entwicklung. Nicht so im Farbmikrofilm: dort werden hochstabile Azo-Farbstoffe bereits bei der Herstellung in die Emulsion eingebettet. Bei der Entwicklung des belichteten Films erfolgt eine schwefelsaure Bleichung der an das Silber gebundenen Farbstoffe. Das Bild entsteht somit aus den verbleibenden Farbstoffen, daher rührt der Name Silver Dye Bleach (SDB). Es ist also ein Positiv-Positiv-Prozess.

Die drei eingesetzten Azo-Farbstoffe Cyan, Magenta und Gelb weisen zum einen eine herausragende Lichtstabilität aus. Bleichtests bei 80 Grad C und hoher Feuchtigkeit zeigen eine so minimale Degradation , dass man die Haltbarkeit unter Normalbedingungen auf mehrere Hundert Jahre hochrechnen kann. Zum anderen haben diese Farbstoffe auch fast ideale colorimetrische Eigenschaften: sie streuen das Licht nicht und ihr spektrales Absorptionsverhalten zeigt einen steilen Abfall an den Wellenlängengrenzen der Einzelfarben. Deshalb sind hochgesättigte Farben darstellbar, die zusammen einen sehr großen Farbumfang (Gamut) ermöglichen, wie er von keinem anderen Medium erreicht wird.

Selbst das latente Bild ist hochstabil: Ein belichteter Film kann problemlos einige Wochen bis zur Entwicklung in der Kamera bleiben, ohne dass Veränderungen im Latentbild zu erwarten sind. 

Höchste Ortsfrequenzauflösung

Die Modulationsübertragungsfunktion des Farbmikrofilms hat 55 % Abfall bei 100 Linienpaare/mm und geht bei einem Kontrastverhältnis von 1:1000 bis 365 Lp/mm (Typ M) bzw. 325 Lp/mm (Typ P). Sie überfordert damit bereits die besten Objektive. In der Praxis erreicht man daher nur Werte von 140...180 Lp/mm oder max. 5000 ppi. Nur sehr gute Digitalscanner können diese Detailauflösung erfassen. Feinkörnige chromogene Filme bringen es im Vergleich dazu auf ca. 100 Lp/mm.

Deshalb sind Verkleinerungen bis zum Faktor 15...25 möglich, ohne Bildinformationen zu verlieren: das entspricht ungefähr dem Verhältnis von DIN A1 zum Kleinbildformat 24 x 36 mm.  Auf das übliche Fiche-Format A6 (105 x 148 mm) lassen also auch die größten Gemälde verlustfrei ablichten.

Gradation und Belichtung

Während im klassischen Farbfilm  die Farben erst bei der Entwicklung entstehen (chromogener Prozess), sind sie im Farbmikrofilm bereits vorhanden. In seinen  drei Schichten sind neben Silber-Bromid (AgBr) bereits die Azo-Farbstoffe Cyan, Magenta und Gelb vorhanden. Bei der Belichtung entsteht in den AgBr-Schichten zunächst ein latentes Bild, das im Entwicklungsprozess zu atomarem Silber reduziert wird. Dieses Silber und die mit ihm gekoppelten Farbmoleküle werden dann ausgebleicht, daher der Name Silver Dye Bleach (SDB) Process. Da die belichteten Bereiche am Ende weniger Dichte haben (heller sind), handelt es sich also um einen Direkt-Positiv-Prozess.

Der Ilfochrome-Film ist in zwei Gradationsstufen erhältlich. Der steile Typ M ist für die Reproduktion von Aufsichtsvorlagen geeignet, während der etwas weichere Typ P für die Reproduktion transparenter Vorlagen und als Duplikatfilm vorgesehen ist. Bei Vorlagen mit sehr großem Tonwertumfang kann eine Kontrastmaskierung erforderlich sein.

Der Film ist mit ca. 0,2...0,5 ASA (Typ M) bzw. 0,4...0,8 ASA (Typ P) recht unempfindlich, weil die Farbschichten das Licht absorbieren, und er ist auf Glühlampenlicht mit 3200 Kelvin ausgelegt; bei entsprechender Filterung kann auch gepulstes Xenon-Licht verwendet werden. Zur Ausleuchtung einer A4-großen Vorlage empfiehlt der Hersteller 1,5...2 kW Halogenlicht, bei A2 wären dann schon 8 kW erforderlich. Eine A4-Vorlage muss bei 25-facher Verkleinerung dann ca. 0,5...1 Sekunde belichtet werden.

Chemische Entwicklung

Entwickelt wird der Film im Ilfochrome-P5-Prozess: einem Dreibadverfahren (Entwicklung, Bleiche, Fixierung). Der stark alkalische Entwickler und das stark saure Bleichbad neutralisieren sich und können nach Silberrückgewinnung wie gewöhnliche S/W-Chemikalien entsorgt werden. Das Tthiosulphat-haltige Fixierbad muss gut ausgewaschen werden, um die Langzeitstabilität nicht zu gefährden.

Maßhaltigkeit

Die wasser- und reißfeste Polyester-Unterlage (Melinex von DuPont Teijin Films) ist extrem maßhaltig (Feuchte-Schrumpfhysterese unter 0,02 % bezogen auf 0,1 mm).

Die Geschichte des Mikrofilms

Der schwarzweiße Mikrofilm ist über 140 Jahre alt. Der französische Fotograf René Dagron, erhält 1859 das erste Mikrofotografiepatent. Im Jahr 1871, während des deutsch-französischen Krieges setzte er Brieftauben als Transportmittel für den Mikrofilm ein.

Die Amerikaner George McCarthy und Reymond Hessert erfanden 1931 eine Rotationskamera für Schecks. Zwei Jahre später, 1933 wurde die erste Mikrofilmdurchlaufkamera patentiert. Kurz darauf erschien die Herald Tribune in New York auch in Mikrofilmform.

Erste Forschungen zum Silber-Farbbleichprozess datieren von 1910: ein Dr. J. H. Smith stellte in Zürich das Fotopapier Utocolor her, bei dem erstmals Licht zum Ausbleichen von Farben eingesetzt wurde. Da die gleichen Farbelemente auch für die Lichtempfindlichkeit verantwortlich waren, war Utocolor eine etwas fleckige Angelegenheit und eher weniger erfolgreich.

Ein katalytisch gestützter Farbbleichprozess mit Natriumhydrosulfit wurde 1918 von J. H. Christensen patentiert. Darauf aufbauend entwickelten die ungarischen Brüder Imre und Dr. Béla Gaspar 1930 den Kinofilm Gasparcolor,  in Paris, gemeinsam mit dem deutschen  Ingenieur und Filmemacher Oskar Fischinger, der 1933 in Berlin den ersten farbigen Kinofilm produzierte.

Kodak war drauf und dran, 1941 sein SBD-Verfahren Azochrome auf den Markt zu bringen, doch der 2. Weltkrieg verhinderte das. Danach setzte Kodak voll auf chromogene Prozesse und Azochrome war nur noch eine „Fußnote in der Geschichte der Photographie, wie der amerikanische Fotograf und Autor Ctein in seinem umfangreichen Beitrag im PHOTO Techniques magazine zu berichten weiß.

Auch Ciba entwickelte schon in den 50ern den SDB-Prozess Cibacolor, brachte ihn aber nicht auf den Markt. Erst 1963, als Ciba-Geigy den Bereich Photochemie von Ilford übernahm, konnte sein eigenes SDB-Verfahren dank der Emulsions- und Beschichtungstechnologie von Ilford zur Marktreife entwickelt werden. Aus dem ursprünglichen Namen  Cilchrome wurde Cibachrome. In den späten 70ern kam die Hochglanzversion (mirror gloss) von Ilfochrome heraus und setzte neue Maßstäbe für Fotoabzüge. Das leuchtende und hochgesättigte „Cibachrome-Rot wurde zur Legende.

Als Ilford dann 1989 von International Paper gekauft wurde, bestand Ciba auf der Namensänderung: so entstand Ilfochrome. 1997 wurde Ilford von der britischen Holding Doughty Hanson übernommen, die auch derzeit (Sommer 2004) noch Eigentümerin von Ilford ist.

Hier ist der Zusammenhang etwas holprig. Wenn du den geschichtlichen Abriss voran stellst, passt es besser: Dann folgt auf „Masshaltigkeit „Digitale Filmbelichtung / Haltbarkeit. Oder du überlegst dir  eine Brücke zwischen Historie und Digitaler Filmbelichtung.

Digitale Filmbelichtung

Digitale Daten seien, so heisst es in Archivarskreisen, brüchiger als Papier. Der rasante Wandel in der Datentechnologie sorgt in der Tat dafür, dass nicht die physikalische Haltbarkeit des Datenträgers, sondern die Verfügbarkeit der Lesegeräte der Knackpunkt bei der digitalen Langzeitarchivierung ist. Auch wenn heutige CD-ROM-Scheiben bei richtiger Lagerung problemlos 30 Jahre und länger leben, ist nicht garantiert, dass wir 2030 noch die Lesegeräte dafür haben. Deshalb müssen digitale Daten nach derzeitiger Lehrmeinung alle 5 bis 7 Jahre auf andere Datenträger konvertiert werden.

Für den in Jahrhunderten denkenden Archivar scheint der Mikrofilm da allemal zuverlässiger. Dem Einwand, es gäbe ja heute schon kaum noch Mikrofilm-Lesegeräte, mag man entgegenhalten, dass die optische Projektion eines Films mit erheblich geringerem Aufwand möglich ist, als die Rekonstruktion eines digitalen Lesegeräts und die Decodierung eines Datenstroms.

Der Glaubenskrieg zwischen den Verfechtern der analogen und der digitalen Langzeitarchivierung mag ausgehen wie er will: der Mikrofilm lässt sich mit Laserplottern genauso bequem aus dem digitalen Datenbestand bebildern.

Derzeit gibt es zwei Systeme zur digitalen Laserbelichtung von Farbfilm. Der Photoplotter Lambda von Durst beschreibt meterbreite Endlosbahnen mit einem 60 µ breiten Spot und erzeugt echte Fotoqualität mit Halbtonpixel. Zehnfach feiner, dafür aber auch nur auf 35 mm breitem Rollfilm arbeitet der Oscar-gekrönte Cinefilmbelichter ARRILaser der Firma ARRI aus München. Beide Systeme kommen aus der gleichen Entwicklerschmiede: dem Fraunhofer-Institut für physikalische Messtechnik IPM in Freiburg.

Und in Freiburg überlegt man sich derzeit, wie man den ARRILaser für die speziellen Anforderungen des Kulturgutschutzes anpassen kann: mit einer höheren Auflösung von 8K x 10 K, die mit einem 4 µ breiten Laserspot als Halbton-Pixel mit 3 x 10 bit auf perforierten 35 mm Rollfilm mit einem Bildformat von 32 x 40 mm geschrieben werden.  Doch die Technologie ist in jeder Hinsicht ausbaubar: theoretisch sind auch andere Ausgabeformate denkbar.

Bis zum Mikrofiche-Format DIN A6 will daher Micropicture mit seinem Laserplotter gehen. Die deutsche Entwicklung aus Jena soll international vermarktet werden. Sowohl das Freiburger, als auch das Jenaer Konzept werden aber wohl mit erheblichen Gerätekosten weit im sechsstelligen Bereich aufwarten - für den staatlichen Kulturgüterbetrieb kaum tragbar. Deshalb will  der deutsche Anbieter Zeutschel (Tübingen) einer sehr viel preiswerteren Lösungen 2005 an den Start gehen. Er setzt auf ein neuartiges, parallel arbeitendes Belichtungssystem und verspricht bei seinem Archivwriter OP500 Farbbilder im internationalen Rollfilmformat bis zu einer Auflösung von 11.520 x 7200 Pixel.

Der entscheidende Vorteil der Laserbelichtung ist die Geschwindigkeit und die Energie der drei monochromen RGB-Laser: auch bei höherer Auflösung dürfte die Belichtungszeit pro Frame deutlich unter 10 Sekunden liegen. Andere Verfahren, die auf Lichtfilterung setzen, müssen mit der enormen Lichtenergie und der damit einhergehenden Wärmeabsorption im filternden System fertig werden.

Derzeit - August 2004 - ist nicht absehbar, ob auch nur eine der drei genannten Entwicklungen zu einer technisch und wirtschaftlich akzeptablen Lösung führt.

Copyright Roland Dreyer 2002, 2004, 2010

Nachtrag Sommer 2010
Der ARCHE-Laser, die oben erwähnte Entwicklung des Fraunhofer IPM, hatte in den letzten Jahren einen schweren Stand, weil die Vertriebsfirma MicroArchive Systems mit der Vermarktung scheiterte.

Inzwischen sind aber drei funktionsfähige Geräte im Einsatz. Auf 600 Meter Filmlänge belichten sie 12.000 Bildfenster (Frames) mit 15.000 x 10.667 Bildpunkte auf 45 × 32 mm2. Die Aalener Firma archium entwickelte eine Software zur optimalen Ausnutzung der im Frame verfügbaren Fläche. So können mehrere Bilder im Frame kombiniert und die Bilddaten zusammen mit Metadaten, Datenbankauszügen und Begleittexten geschrieben werden. Die unterschiedlichen Datentypen beeinträchtigen nicht die visuelle Auslesung und erlauben auch das automatisierte Rücklesen. Nicht visuell darstellbare Dateien wie Text und Bild lassen sich als Binärdaten (Flächencode) abbilden.

Ein Belichter ist im Ludwigsburger Institut für Erhaltung von Archiv- und Bibliotheksgut im Einsatz. Dort werden u. a. für das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe farbige Mikrofilmausbelichtungen hergestellt. Anwender in der Industrie, aus Kultur und Verwaltung können den ARCHE-Mikrofilm-Belichter über die Firmen Media de Lux und archium nutzen.

Kontaktadressen (Stand 07/2010):

Andreas Hofmann, Fraunhofer IPM
www.ipm.fraunhofer.de
Tel. 0761-8857136
andreas.hofmann[at]ipm.fraunhofer.de

Dr. Klaus Wendel
www.archium.org
Tel. 07361-826218
klaus.wendel[at]archium.org

Anneliese Lux
www.mediadelux.de
Tel. 0781-68725
info[at]mediadelux.de

Die hochstabilen Azo-Farbstoffe sind bereits im unbelichteten Film enthalten.

Mit seiner Ortsfrequenzauflösung schlägt der Mikrofilm jeden konventionellen Film.

Die colorimetrischen Eigenschaften der Azo-Farbstoffe ermöglichen einen extrem großen farbumfang.

Konventionelle Mikrofilmkamera von Zeutschel.

Bei der Aufnahme sind Farb- und Gradationskontrollstreifen zwingend erforderlich.

In solchen Maschinen wird der Film trocken-zu-trocken in wenigen Minuten entwickelt.

Während des Französisch-Preuss. Kriegs 1870 haben Brieftauben die auf Mikrofilm gespeicherten Nachrichten über feindliches gebiet transportiert.

Das absolut gleichmäßige Aufgiessen der Emulsion auf den Polyesterträger ist die wichtigste Voraussetzung für eine gleichbkleibend gute Filmqualität
(Grafik: Agfa Gevaert).

Der digitale Cinefilm Laserbelichter von ARRI könnte künftig auch den farbigen Mikrofilm bebildern.