Wie speichert man Bilddaten medienneutral?

Colormanagement für Bilddatenbanken:

Farbraum und Datenformat entscheiden die Tauglichkeit einer Mediendatenbank

Die Digitalisierung hat längst auch das fotografische Bild erfaßt. Doch  der Übergang von analogen Film zum digitalen Datenbestand ist wie bei keinem anderen Medium mit Unabwägbarkeiten verbunden: was wird bei der Digitalisierung aus der Farbinformation?

Als die Bilder nur gedruckt wurden und die Prozeßkette vom Scan bis zur Reproduktion fast noch in einer Hand lag, war die Farbabstimmung zwischen Original und Wiedergabe mit etwas handwerklichem Geschick kein Problem. Im digitalen Workflow dagegen erfolgt der Scan sehr früh und die Bilder werden in einer Datenbank gelagert. Die Reproduktion erfolgt räumlich und zeitlich versetzt und kein vergleichender Blick auf das Original erlaubt ein Urteil über die Farbtreue eines Drucks oder eines Screendisplays. Das wird spätestens dann teuer, wenn der Kunde genau den Lackton - und keinen anderen - auf seinem Auto haben will, den er im Prospekt, auf der Messe-CD oder auf der Website gesehen hat.

Das Thema Farbmanagement brennt allen auf den Nägeln, die mit digitalisierten Bildern aus Datenbanken arbeiten. Viele haben aber den Schmerz noch nicht bemerkt. Die Druck- und Reprotechniker, von denen eigentlich kompetenter Rat erwartet werden sollte, wollen dieses Problem anscheinend nicht so recht zur Kenntnis nehmen. Sie kennen nur ihren CMYK-Druckfarbraum und schauen äußerst mißtrauisch auf Kunden, die ihnen bereits digitalisierte Bilddaten anliefern wollen. Viele Reprotechniker können sich einen standardisierten digitalen Workflow nicht vorstellen, bei dem das Original nicht mehr zur Verfügung steht - und bisher mußten sie das ja auch nicht. Das in der Druckvorstufe viel zitierte Colormanagement mit ICC-Profilen ist für die meisten noch immer ein Buch mit sieben Siegeln. Was angesichts der Komplexität des ICC-Themas sogar ein Stück weit verständlich ist.

Wenn eine Reproabteilung ihre Bilder heute noch im Druckfarbraum CMYK ablegt, kann oder will sie die Notwendigkeit der Medienneutralität noch nicht akzeptieren. Schließlich kann die medienneutrale Speicherung von Bildern der Reproabteilung das Monopol der Digitalisierung kosten, das sie bei digitalen Kameras ohnehin verlieren wird.

Verliert die Druckvorstufe die Kompetenz fürs Bild?

Die Märkte der Bildbearbeitung sind breit gestreut. Die Corporate Identity, ein Schlüsselbegriff moderner Marketingkommunikation, verlangt von einem Unternehmen, daß seine Bilder auf allen Medien der Marketingkommunikation gleich aussehen. Eine der ersten Branchen, die das erkannt hat, ist die Automobilindustrie. Ihre Pressemappen enthalten längst hunderte digitaler Bilder in einem medienneutralen Farbraum. Zum Nutzen der besseren und weltweit identischen Bildqualität kommt der enorme Kostenvorteil: die Herstellung von 300 Photo CDs mit 100 je Bildern kostet nur einen Bruchteil dessen, was früher für Diaduplikate und Papierabzüge ausgegeben werden mußte. Der Zwang, die "time to market" immer weiter zu verkürzen, ist ein weiteres Argument für den Übergang zum digital verteilten Bild, das über Datennetze in Sekunden um die Welt geht.

Das Internet, eines dieser Medien, bringt durch seine eigene Dynamik eine wahre Explosion der Bildkommunikation mit sich. Wer heute noch meint, Bildqualität sei im Internet kein Thema, hat das Prinzip des E-Commerce noch nicht erkannt: da entscheidet künftig die Qualität eines kleinen Thumbnailbildes über Umsatzmillionen und Reklamationsquoten!  Und der Privatmann hat längst die zahllosen Möglichkeiten entdeckt, die ihm sein PC in puncto Bildverarbeitung erschließt. Fast 60 % der heute ausgelieferten PCs sind mit einem Farbdrucker verbunden und schon im Jahr 2000 erwartet man eine Online-Anschlußquote von 80 % für alle PCs.

Die Druckvorstufe ist dabei, die Kompetenz für das Bild zu verlieren, sie treibt nicht mehr den Markt, sondern sie wird von ihm getrieben. Experten gehen davon aus, daß in 5 bis 10 Jahren die Hälfte der Bilder nicht mehr drucktechnisch, sondern elektronisch reproduziert werden. Deshalb sind die komplizierten Konzepte für das Farbmanagement mit ICC-Profilen, die für diese Experten entwickelt wurden, für den kommenden Massenmarkt nicht geeignet. Der E-Commerce im Internet wird nur mit Farbbildern funktionieren, die auf allen Plattformen möglichst gleich aussehen und die auf Hilfslösungen wie ICC-Profile nicht angewiesen sind. Daß der Bildschirm des Betrachters immer eine unbekannte Variable bleibt, ist seit den ersten Tagen des Farbfernsehens eine Binsenweisheit. Aber auch das muß nicht so bleiben.

Ein Scan für alle Medien

Bilder müssen heute so neutral gespeichert werden, daß sie in Zukunft mit Technologien reproduziert werden können, deren Eigenschaften wir heute noch gar nicht kennen. Marktforscher erwarten, das im Jahr 2000 die Hälfte aller professionell eingesetzten Bilder mehrfach und auf unterschiedlichen Medien eingesetzt werden. Es ist daher unverantwortlich, fotografische Bilder beim Digitalisieren auf den vergleichsweise winzigen Farbraum des Drucks zu schrumpfen und sich damit ein für alle mal die Möglichkeiten der Zukunft zu verbauen.

Doch genau das geschieht, wenn Vorstufenbetriebe die Bilder Ihrer Kunden auch heute noch als separierte CMYK-Daten archivieren und auch separiert auf CD verteilen. Die Kunden müssen dann tatsächlich allen Abnehmern dieser Bilddaten vorschreiben, welche Papiersorte sie zum Druck verwenden dürfen. Denn CMYK-Daten sind auf einen speziellen Druckprozeß optimiert, schon ein anderes Papier bringt Farbverfälschungen mit sich. Das ist genau das Gegenteil von Medienneutralität, es ist schlechterdings unverantwortlich gegenüber dem Kunden.

Industrie fordert medienneutrale Bildkommunikation

Anwender in der Industrie, aber auch Organisationen wie Museen, Archive und Kliniken entdecken immer mehr den Wert Ihrer Bilder. Doch analoge Bildarchive sind nicht nur vom Verfall bedroht, sie sind auch mit wachsendem Umfang nicht mehr oder nur mit enormen Kosten handhabbar. Professionelle Anwender sind nicht mehr bereit, die Kosten für analoge Diaduplikate oder ein wiederholtes Scannen zu bezahlen. Ein Scan muß für alle späteren Verwendungen genügen.

Um den Wert ihrer Bilder zu erhalten, die Handlingskosten zu reduzieren und die Bilder auch zukünftig effizient verteilen und verwenden zu können, ist es unumgänglich, die analogen Bildbestände zu digitalisieren, in einer Bilddatenbank vorzuhalten und digital zu verteilen. Nicht nur das Marketing verlangt heute kürzere Verarbeitungsprozesse.

Dabei treten ein Fülle von Fragen auf. Wer ist verantwortlich für die Bilder? Wie sieht die Nutzerstruktur aus? Wer trägt die Kosten für die Befüllung der Datenbank? Wenn der Einrichtung einer Bilddatenbank nicht eine sorgfältige Bedarfsanalyse vorausgeht, passiert es schnell, daß die Antworten festgeschrieben werden, bevor man die dazugehörenden Fragen überhaupt erkannt hat. Wurde eine Datenbank erst einmal befüllt, sind Fehlentscheidungen kaum noch zu reparieren. Erst dann merken aber viele Anwender, daß die reinen Softwarekosten nur einen Bruchteil der Gesamtinvestition ausmachen: bei einer Fehlinvestition in eine proprietäre, standardferne Lösung setzt der Anwender vor allem seine enorme Eigenleistung bei der Befüllung der Datenbank in den Sand, wenn etwa die Metadaten nicht von einer Datenbank in eine andere übernommen werden können.

Es gibt in Deutschland mehr als  50 Anbieter von Bilddatenbankprogrammen, die sich im Regelfall nur auf die Funktionalität ihrer Software konzentrieren. Sie fragen den Kunden selten nach der späteren Verwendung der Bilder oder der geforderten Lebensdauer. Die Farbraumthematik beherrschen die wenigsten von ihnen: wie sollten sie auch, wenn sie das Programmieren gelernt haben. Farbmetrik steht nicht auf dem Lehrplan der Informatiker.

Ohne Bedarfsplanung geht nichts

Für den durchnschnittlichen Anwender aus der Industrie, der natürlich auch keine Ahnung von Farbräumen hat, ist das Desaster fast vorprogrammiert, wenn er seine Entscheidung für eine Bilddatenbank allein aufgrund der Softwarefunktionalität oder der Empfehlung seiner Druckerei trifft. Dem entspricht der Versuch, das Fahrverhalten eines Autos auf Grundlage der Gestaltung des Armaturenbrettes zu beurteilen.

Diese Entscheidung seinem Chauffeur - sprich: einem externen Dienstleister - zu überlassen, muß nicht eben segensreicher sein: daß die Druckvorstufe ihre eigene Kompetenz oft nicht angemessen einschätzt, wurde bereits erwähnt. Die tradierten Abläufe in der Reprotechnik lassen sich nicht auf einen datenbankgestützten Workflow übertragen. Das Übermaß an schlechter Beratung, das dem Verfasser immer wieder von Anwendern geklagt wird, belegt dies: wenn ein Verlag seine Bilder im Farbraum sRGB speichern will, obwohl sRGB nicht einmal alle Farben des Druckfarbraums CMYK abdeckt, scheint es mit dem Fachwissen der Entscheider nicht allzu weit her zu sein. 

Das Kompetenzproblem ist in der Tat kaum zu unterschätzen: es gibt keine Rezepte, keine Standards für die Bildarchivierung. Selbst "das Bild" hat für den einzelnen Anwender ganz unterschiedliche Charakteristika und stellt ganz unterschiedliche Anforderungen. Schauen wir uns das Spektrum an:

  • Film Negativ
  • Film Positiv
  • Aufsicht Halbton (Foto)
  • Aufsicht Raster (Druck)
  • Glasplatten
  • Digitalkamerabilder
  • Die Anforderungen einzelner Anwender können dabei durchaus gegenläufig sein: für den einen zählen die Farben des Mediums (etwa bei einem ehemals mühsam bearbeiteten Dia), für den anderen nur die Farben der Originalszene (bei einem Negativ). Für den einen sind Kratzer in einer historischen Glasplatte erhaltenswert, den anderen stören sie nur.

    Das digitale Original wird von unterschiedlichen Anwendergruppen sehr unterschiedlich definiert. Jede Abteilung in einem Unternehmen stellt deshalb andere Anforderungen an das Bild. Der Anwender muß bei der Einrichtung der digitalen Bilddatenbank Position zu Ihrer Zielsetzung und Funktion beziehen und seine Anforderungen genau beschreiben. Allein dieser erste Schritt der Bedarfsklärung stellt ein meist unterschätztes Managementproblem dar.

    Die Datenbank ist nur eine Station im Workflow

    Die Einführung einer Mediendatenbank durchschneidet herkömmliche Workflows und verteilt die Kompetenz für das Bild neu. Die Neukonzeption des Workflows, die Überwindung der damit oftmals verbundenen Widerstände, der organisatorische Aufwand für die Befüllung der Datenbank und die Folgekosten für Wartung und Ausbau (sofern an eine Skalierbarkeit überhaupt gedacht wurde) sind in der Regel viel schwerwiegendere Investitionsfaktoren, als die Kosten für Hardware und Software. Ein Indiz dafür ist die lange Dauer der Entscheidungsphase: große Organisationen benötigen in der Regel zwei Jahre, um überhaupt zu einer Investitionsentscheidung zu kommen: in diesen zwei Jahren könnte sich eine richtig konzipierte Datenbank bereits bezahlt gemacht haben.

    Verkürzen läßt sich diese Entscheidungsphase nur durch eine konsequente Planungs- und Einführungsstrategie, die die üblichen Phasen klassischer Projektarbeit beinhaltet:

  • Bestimmung einer Projektleitung im Unternehmen
  • Abklären des Bedarfs und der Anforderungen aller Abteilungen im Imaging Audit
  • Bewertung der Erfolgsfaktoren und des Aufwandes im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsberechnung
  • Erstellen eines Pflichtenheftes
  • Auswahl der Partnerfirmen
  • Einführung im Unternehmen und Training der Anwender
  • weitere Entwicklung synchron mit den Kommunikationsstrategien
  • Systemanpassung und Workflowänderungen
  • Es ist mehr als empfehlenswert, sich für diese Phasen externen Beistand in Gestalt eines unabhängigen Beraters zu holen. Die Kosten für diesen Berater stehen in keinem Verhältnis zu den Folgeschäden, die mit seiner Hilfe vermieden werden können.

    Colormanagement mit offenen Standards

    Die Komplexität des Themas und damit die Notwendigkeit, diese Probleme schon bei der Planung und gegebenenfalls mit Hilfe eines Beraters zu berücksichtigen, sei am Thema Colormanagement verdeutlicht. Das Colormanagement sorgt dafür, daß die Bilder auf allen Medien gleich aussehen, eine zentrale Anforderungen der Corporate Identity und des E-Commerce. Die Voraussetzung für eine farbidentische Wiedergabe ist die medienneutrale Speicherung der Bilder in der Datenbank.

    Aus dieser zwingenden Notwendigkeit zu einer medienneutralen Datenspeicherung resultieren drei konkrete Anforderungen bezüglich Farbraum und Datenformat:

  • 1. Der Farbraum, in dem die Bilder digitalisiert werden, muß eine Obermenge der nicht deckungsgleichen Farbkörper des RGB-Monitors und des CMYK-Drucks sein. Idealerweise wird der gesamte Farbraum des fotografischen Originals referenziert erhalten. Die Referenz zu den Originalfarben kann über ICC-Profile oder aber einfacher mit einem standardisierten kalibrierten Farbraum wie PhotoYCC erzielt werden. CIELab und sRGB wären theoretische Alternativen.
  • 2. Die Dateistruktur muß die sehr unterschiedlichen Auflösungsanforderungen der Ausgabemedien berücksichtigen. Das geschieht idealerweise mit einem speicheroptimierten Multiresolution-Format wie FlashPix oder dem ImagePac, das von Kodak jetzt freigegeben wurde. Das ImagePac ist über den verlustfreien Kompressionsalgorithmus an den Farbraum PhotoYCC gekoppelt.
  • 3. Farbraum und Dateistruktur müssen einem weltweit etablierten und offenen Standard entsprechen. Das ist nur beim Farbraum PhotoYCC und dem Datenformat ImagePac der Fall: beide bilden die Grundlage des PhotoCD-Systems von Kodak. Weit mehr als 100 Millionen Bilder wurden bisher weltweit im Format PhotoYCC/ImagePac gescannt und auf der Photo CD gespeichert, allein 1997 waren es in Deutschland 12 Millionen. Die Proprietarität dieses Formats besteht seit Herbst 1998 nicht mehr: das Format kann nun von jeder EBV-Software implementiert werden.
  • Die als Alternative vorgeschlagene Lösung, RGB-Daten mit ICC-Profilen auszustatten, ist eine Notlösung; sie ist für ein Datenbankkonzept nicht geeignet. Der Umgang mit ICC-Profilen ist kompliziert, sie müssen zudem jedem Bild mitgegeben werden, gehen bei der Verarbeitung leicht und oftmals unbemerkt verloren und können vom Volumen leicht größer sein als das eigentliche Bild. Gerade bei der Online-Verteilung ist das sehr hinderlich.

    Auf der Basis des Farbraums PhotoYCC und der Dateistruktur ImagePac läßt sich dagegen nun ein durchgängig standardisierter digitaler Workflow etablieren. Dieser Aspekt ist nicht nur für Produktionsdatenbanken relevant: auch Archive, Museen und Fotografen müssen daran denken, daß Ihre Bilder weiterverarbeitet werden.

    Fazit

    Die Einführung einer Bilddatenbank ist ein ebenso drängendes wie komplexes Thema. Wer sich seiner annimmt, sollte schon im Vorfeld alle dabei auftretenden Implikationen berücksichtigen. Das Color Management für Bilddatenbanken besteht im Wesentlichen aus der Wahl des richtigen Farbraums.

    Copyright: Roland Dreyer 1999